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Hintergrund: Ungefähr jede 80. Person im Kanton Zürich hat keinen legalen Aufenthaltsstatus. Obwohl das Versicherungsobligatorium diese sogenannten Sans-Papiers einschliesst, können sich die meisten keine Krankenversicherung leisten. Sie haben nur einen Anspruch auf eine medizinische Notfallversorgung, deren Umfang jedoch nicht klar definiert ist. Diese Arbeit untersucht die Gesundheitsversorgung von Sans-Papiers im Kanton Zürich aus der Perspektive der Behandelnden. Der Fokus liegt auf ihrer Bewertung von Prozessen in der Gesundheitsversorgung von Sans-Papiers, ihrer Anwendung der Notfalldefinition, Unterschiede in der Behandlung im Vergleich zu versicherten Personen sowie ihren Verbesserungsvorschlägen.
Methoden: Es wurden qualitative Expert*innen-Interviews auf der Basis eines semi-strukturierten Fragebogens durchgeführt. Danach wurden die Interviews transkribiert und codiert. Ein Teil der Codes wurde im Sinne einer typologischen Analyse in Kategorien eingeteilt und ausgewertet.
Resultate: Insgesamt haben 9 Personen teilgenommen, welche entweder als Sozialarbeiter*innen, Ärzt*innen oder in einer NGO arbeiten. Die Arbeit mit migrationsmedizinischen Kompetenzen und die der NGOs wird als gut bezeichnet. Schwierig wird es für die Behandelnden, wenn eine Kostendeckung durch eine Krankenversicherung fehlt. Dabei geraten die Behandelnden in ein ethisches Dilemma, zwischen dem Willen zur Behandlung von Sans-Papiers und dem finanziellen Druck durch die Institution. Der Begriff des Notfalls ist schwer zu definieren, auch weil verschiedene Personen und Institutionen verschiedene Perspektiven auf die Notfalldefinition haben. Der Notfall sollte als Kontinuum mit verschiedenen Dringlichkeitsabstufungen verstanden werden, nicht als binäre Kategorie. Im stationären Setting zeigt sich eine grosse Varianz im Umfang der Behandlung von Sans-Papiers, während eine Unterversorgung im ambulanten Bereich (Präventivmedizin und chronische Erkrankungen) zu beobachten ist. Unter den Interviewten konnte eine humanistische Haltung, sowie Stress, Unzufriedenheit, Gönnerhaftigkeit, und Perspektivlosigkeit identifiziert werden. Als Verbesserungsvorschläge wurden besonders die Angleichung des Behandlungsumfanges, an den Leistungskatalog der obligatorischen Krankenpflegeversicherung OKP, finanzielle Verantwortungsübernahme durch Behörden, Stärkung von Kompetenzen im Bereich Migrationsmedizin und Finanzierung der Übersetzungskosten genannt.
Schlussfolgerungen: Im internationalen Vergleich zählt die Gesundheitsversorgung von Sans-Papiers im Kanton Zürich zu den Besseren. Dennoch ist die Situation für die Behandelnden mehrheitlich nicht zufrieden stellend. Kurz vor Abschluss dieser Arbeit wurde die Einführung der Züri-City Card beschlossen. Damit werden einige ihrer Verbesserungsvorschläge umgesetzt. Es fehlen Lösungen zur Finanzierungen der Krankenkassenprämien. In weiterer Forschung sollte die Perspektive der Sans-Papiers selbst dargestellt werden, welche in dieser Arbeit fehlt.